Aus dem Buch „Groß Düngen im Wandel der Zeiten“ von Karl Busche
Die Mordmühle
Auf dem Wege von Hildesheim nach Salzdetfurth liegt unweit des Ortes Klein Düngen eine Gastwirtschaft, die Mordmühle genannt.
Vor lieben langen Jahren in einer heiligen Christnacht war der Müller (denn dazumal war die Mordmühle noch eine wirkliche Mühle) mit Frau und Kindern und allen seinen Leuten nach Detfurth zur Nachtkirche gegangen. Nur eine einzige junge Magd war zu Hause geblieben, um für die Herrschaft und die Knappen ein Warmbier zu kochen. Die Magd stand nun, es mochte wohl Mitternacht vorüber sein, in der Küche, welche dicht am Mühlenbett lag, bei ihrem Topfe und ahnte nichts Böses. Mit einem Male fängt`s draußen an zu flüstern und an den Wänden zu graspeln, daß der Magd die Haare zu Berge steigen.
Doch sie befiehlt sich Gott und allen Heiligen und fängt zu horchen an. Da hört sie denn, daß ein Mann sagt: “Es ist bloß die Magd zu Hause, mit der wollen wir bald fertig werden; ich will hier durch das Wellenloch einkriechen, und ihr andern könnt nachfolgen; ich weiß, daß der Müller mehrere tausend Taler im Hause hat.“
Da dachte die Magd: “Jetzt heißt es, ich oder du!“ nahm eine schwere, scharfe Barte und – sowie der Kopf des durchkriechenden Kerls zum Vorschein kommt, - hast`n nich` gesehen! – haut sie ihn aufs Genick, daß der Kopf gleich dabei liegt, dann zieht sie leise den Rumpf nach und läßt ihn langsam auf den Boden gleiten. – „Bist du drin?“ flüstert es jetzt draußen.
„Ja!“ antwortet leise die Magd, und gleich darauf kommt ein zweiter Kopf zum Vorschein. Auch der blieb nicht auf dem Rumpfe sitzen, und es ging ihm gerade wie dem ersten. Als die Magd den den Körper nachzog und neben dem anderen leise niedergelegt hatte, hieß es wieder draußen: “Bist du drin?“ –„Ja!“ sagte das Mädchen, und gleich darauf versalzte es wiederum einem Räuber das Einsteigen, und so ging’s fort, bis neun Räuber geköpft und hineingezogen hatte. Da hörte alles Flüstern und Graspeln auf, und ward totenstill. Als sich nun die Magd so mutterseelenallein mit den blutigenLeichen im Hause sah, konnte sie es vor Angst nicht mehr aushalten, sie stürzte hinaus und lief, was sie laufen konnte, auf Detfurth zu und ihrer Herrschaft entgegen. Die Herrschaft war auch schon auf dem Heimwege und bog eben da, wo der große Busch steht, um den Bring, als das Mädchen herangelaufen kam, noch einmal um Hilfe rief und dann vor Ermattung und Angst dicht am Busche zur Erde stürzte. Davon heißt der Busch noch heute der „Störtebusch“ (Stürzebusch).
Die erschrockenen Müllersleute hoben die ohnmächtige Magd auf und trugen sie ins Haus zurück; da sahen sie dann mit Staunen und mit Grauen, was das beherzte Mädchen ausgerichtet hatte. Der Müller ließ gleich satteln und holte den Doktor von Salzdetfurth aus dem Bette; der brachte denn die Magd wieder ins Leben, und die Müllersleute haben sie ihr Lebtag keine Not leiden lassen. – Seit dieser Mordnacht aber hieß die Mühle die „Mordmühle“ und der Busch eben „Störtebusch“.